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Hör mal, Gott!
Ich hör dich, Jesus!
Der stumm war, ...
Pressespiegel
 





Referat auf der Gesamttagung für den Kindergottesdienst in der EKD, 25.-28. Mai 2006, Hannover „Ihr werdet euch noch wundern!“

Mit diesem Link können Sie die Tagungseinladung herunterladen (1,2 MB).


Was für ein wunderbarer Morgen hier in der Matthäuskirche! Und was für einen wunderbaren Namen trägt diese Kirche: „Matthäuskirche“. Matthäus war ja einer der vier Evangelisten. In Syrien hat er gelebt, so erzählt man sich hat. Er hat dort vom Leben, von Leiden und Auferstehung Jesu gehört und gelesen und es dann für die syrischen Christen aufgeschrieben. Mit eigenen Worten hat er die vorgefundenen Quellen ergänzt und sich dabei überlegt, wie er es so aufschreibt, dass alle Leser begreifen: Jesus ist wirklich der Retter der Welt, der im Alten Testament verkündigte Heiland.
Diese Kirche ist ein wunderbarer Ort, um sich mit unserem Thema heute Morgen zu beschäftigen: Neutestamentliche Wundergeschichten.
Haben Sie heute Morgen oder Gestern Wunderbares erlebt?

Vielen von uns passieren wunderbare Dinge im Leben. Etwas, von dem wir sagen: „Super gelaufen“, „Glück gehabt“, oder „noch mal davon gekommen“. Etwas, das unseren Alltag fröhlich macht. Vom wunderbar belegten Sandwich bis zur erwiderten Liebe, von der Taschengelderhöhung bis zur lang ersehnten Versöhnung – vieles kann wunderbar sein.


Aber wir reden nicht nur von wunderbaren Dingen, sondern auch direkt von Wundern. Ein Wunder st etwas schier un-glaubliches: ewas, das eigentlich gar nicht passieren darf.

Ich habe gelesen, dass ein Krankenhauspfarrer von einer sterbenskranken Frau gebeten wurde, für ihre Heilung vom Krebs zu beten. Ich bin doch kein Wunderheiler sagt er sich, aber er betet intensiv, dass Gott sich dieser Frau zuwenden möge. Als er nach zwei Wochen wiederkommt, läuft die Frau auf dem Flur herum und ist vollständig geheilt. Die Ärzte stehen vor einem Rätsel. Und der Pfarrer fragt sich: Sollte Gott vielleicht doch…?
Ein solches Wunder passiert nicht alle Tage, aber immer wieder.

Hat jemand von Ihnen schon mal ein echtes Wunder erlebt?


Auch heute noch können Wunder passieren. Aber ehrlich gesagt, tun wir uns schwer damit. Das liegt daran, dass wir Menschen des 21. Jh. intelligent und aufgeklärt sind. Wir sind kritische Geister und lernen von Kindesbeinen an, Geschehnisse und Verhaltensweisen zu hinterfragen. Wir lernen schon früh, dass viele der sogenannten „Wunder“ im Rahmen der uns bekannten Gesetzmäßigkeiten zu erklären sind. Der Gewinn im Lotto hat statistische Wahrscheinlichkeiten, das Wunder von Empfängnis und Geburt ist das Ergebnis einer geglückten Begegnung zwischen weiblicher Ei- und männlicher Samenzelle. Dem schwer Kranken hat der Arzt wieder ins Leben zurück verholfen und wunderbare Rettungen bei Unfällen über und unter Tage werden mit berechenbaren Vorgängen durch Mensch und Natur erklärt.

Wir können fast alles erklären. Und so lösen sich die meisten der vermeintlichen Wunder wie Seifenblasen in der Luft auf und werden zum außergewöhnlichen Ereignis, das gänzlich im Rahmen natürlicher und naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten stattfindet. Wir sind nur noch schwer zu beeindrucken.
Wenn wir uns dann mit Frodo und seinen Gefährten durch die Welt des Übersinnlichen kämpfen, die Orks und den Angstschweiß im Nacken um den Ring zu vernichten, wenn wir mit Harry Potter in Zauberspiegel schauen und den bösen Basilisken töten, wenn wir durch den geheimnisvollen Schrank nach Narnia reisen und es von der bösen Hexe erlösen, dann wissen schon die Jüngeren: Wunder geschehen nur im Film. Und Film ist Fantasie, nicht Wirklichkeit.
Eigentlich schade, dass viele Menschen nicht mehr an Wunder glauben. Nicht mal der Mond ist vor ihnen sicher. Da steht er voll und rund und schmilzt zu einer Sichel zusammen, bis er ganz verschwunden ist. Um sich dann wieder zu voller Schönheit zu runden. „Oh“, haben die Menschen früher gestaunt, „was für ein Wunder“! Wir aber haben etwas von Umlaufbahn des Mondes um die Erde und vom Erdschatten gehört und können dieses Wunder mit drei Orangen auf dem Küchentisch erklären und darstellen. Wir sind arm geworden, weil wir so klug sind. Die Welt und ihre Geschehnisse haben sich entzaubert. Das Übersinnliche und Unnatürliche hat darin keinen Platz mehr.


Aber ich frage mich: Wissen wir wirklich alles? Zurück zum Mond. Matthias Claudius sagt in seinem berühmten Abendlied: „Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen und ist doch rund und schön. So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsre Augen sie nicht sehn“. Vielleicht gibt es hinter der Wirklichkeit, in der wir leben, noch eine andere Wirklichkeit. Es ist doch vermessen zu sagen: Weil ich nur bis zum Tellerrand sehen kann, hört das Leben dahinter auf. Nein, da liegt noch Besteck und eine Tischdecke, ein Tisch, ein Wohnzimmer, ein Haus und und und… Es gibt vielleicht ein Leben, eine Wirklichkeit außerhalb unseres Tellerrandes. Wir haben sie nur noch nicht entdeckt. Haben wir das Recht, solche Wirklichkeit lächelnd abzutun, nur weil sie dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand unserer Zeit widerspricht?

Es geschehen nur wenige echte Wunder in unser Zeit, aber sie geschehen. Und sie machen uns deutlich, dass es eine Wirklichkeit geben muss, die diese Wunder ermöglicht. Wir Christen ordnen diese Wirklichkeit in besonderer Art und Weise zu. Wir ordnen sie nämlich Gott zu. Christen sagen: Wenn ein Wunder geschieht, dann hat es etwas mit Gott zu tun. Nicht mit dem Zufall, dem Schicksal oder irgendwelchen Mächten. Nicht weil ein Pendel in besonderer Art und Weise ausgeschlagen hat, weil die Karten günstig lagen oder weil die Sterne, wie im Horoskop nachzulesen, das außergewöhnliche Geschehnis vorausbestimmt haben. Wir Christen ordnen diese Wunder Gott zu.


Nun reisen wir ca 1900 Jahre zurück in die Welt der vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Sie erzählen seltsame Dinge: Von Dämonenaustreibungen und Totenerweckungen, von Heilungen und Geschenkwunder, in denen Brot, Fische und Wein vermehrt werden; Von Rettungswundern, in denen Sturm gestillt wird und Menschen über Wasser gehen.

Da sind sie versammelt: Der Gelähmte, der von seinen vier Freuden durch das Dach des Hauses direkt vor Jesu Füße gelassen wurde. Und die Tochter des Jairus, die eigentlich schon richtig tot war, weil Jesus sich nicht beeilt hatte, zu kommen. Und doch wurde sie wieder zum Leben erweckt. Den Aussätzigen kann ich sehen, links unten mit den blutigen Lappen um Hände und Füße gewickelt einer von zehn, die Jesus geheilt hat und der zurückkam, um sich zu bedanken. Und die Jünger, die die ganze Nacht nichts gefischt hatten und dann brachen ihre Netzt fast unter der Last der Fische zusammen. Der Knecht des Hauptmannes von Kapernaum in der Mitte. Alle sind sie gekommen und allen hat Jesus geholfen.
Schöne Geschichten. Wirklich schöne Geschichten. Aber leider haben wir die ein oder andere Anfrage, denn: Wir sind ja, wie bereits erwähnt, intelligent und aufgeklärt. Und da liegen uns die Wundergeschichten schwer im Magen. Als der Theologe Klaus Berger begann, Theologie zu studieren, schickten Verwandte an seine Familie eine Postkarte mit Gemälden aus einer barocken Kirche, auf denen verschiedenste Wunder dargestellt waren. Die Verwandten schrieben dazu: „Der arme Klaus muss das alles glauben.“
Die neutestamentlichen Wundergeschichten sind eine Herausforderung für unseren Glauben. Weil wir sie nämlich nicht mit der Wirklichkeit abgleichen können. Kein Augenzeuge kann uns mehr sagen, ob es knapp 2000 Jahre vor uns wirklich so gewesen ist, wie es in den Evangelien aufgeschrieben steht. Wie tief verweben sich Dichtung und Wahrheit? Können wir das Unglaubliche glauben?
Allen, die hier sind, geht es nicht nur um sich und die Vergewisserung des eigenen Glaubens, sondern es geht auch um Kinder, die Ihnen im Kindergottesdienst und Kindergruppen anvertraut sind. Wer Kindern christliche Glaubensinhalte vermitteln soll, trägt eine ungeheure Verantwortung. Der muss mit sich klar haben, was er anderen erzählt. Da gehören die Wunder dazu.
Wir wollen kein “armer Klaus“ sein, der das alles glauben „muss“, sonder wir wollen ein „froher Klaus“ sein, der das glauben darf, weil er verstanden hat, wie diese Wundergeschichten zu lesen und zu glauben sind. Und dann wird das, was auf den ersten Blick als Zumutung erschien, zur Bereicherung. Wir können bei der Beschäftigung mit Wundergeschichten nur gewinnen. Deshalb machen wir uns gemeinsam auf den Weg.


Es gibt sechs verschiedene Sorten, Typen von Wundergeschichten im NT:

  • 1. Krankenheilungen Z.B. Die Heilung des blinden Bartimäus, Mk 10, 46 – 52
  • 2. Dämonenaustreibungen Z.B. Die Heilung des Besessenen in Gerasa,
    Mk 5,1-22
  • 3. Rettungswunder Z.B. Jesus wandelt auf dem Meer und rettet den sinkenden Petrus, Mt 14,22-33
  • 4. Geschenkwunder  Z.B. Die Speisung der 5000, Mk 6,30-44
  • 5. Erscheinungswunder Z. B. in den Ostergeschichten: Jesus erscheint drei Tage nach seinem Tod Jüngerinnen und Jüngern
  • 6. Normenwunder, Z.B. Die Heilung des Mannes mit der verdorrten Hand am Sabbat, Mk 3,1-6 Jesus entschärft durch seine Heilung das Gesetz der Sabbatruhe

Dazu drei Beispiele:
1. Mk 10,46-52  Die Heilung des blinden Bartimäus
Einem Freiwilligen die Augen verbinden. Ihn allein durch den Raum, gehen lassen. Wie fühlt er sich mit verbundenen Augen? Was bedeutet es, nicht sehen und hören zu können?

Mein Name ist Bartimäus. Ich bin der Sohn des Timäus und wohne in Jericho. Ich bin blind. Wisst ihr, was das bedeutet? Nein, das könnt ihr euch nicht vorstellen. Mal sich aus Spaß die Augen verbinden und im Dunkeln etwas suchen, das ist lustig – aber immer? Nein, das ist nicht lustig, das ist entsetzlich! Wer nicht sehen kann, kann nicht arbeiten. Wer nicht arbeiten kann, verdient kein Geld. Wer kein Geld verdient ist arm. Wer arm ist und keine Familie hat, die für einen sorgt, der wird zum Bettler. So geht es mir. Manchmal denke ich, ich wäre besser tot! Die Menschen geben mir Almosen, ein bisschen Geld, etwas zu Essen und zu Trinken. Das ist zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Dafür muss ich meinen Mund halten. „Wir haben dir etwas gegeben, nun lass uns in Ruhe!“, sagen sie mir, wenn ich zu laut um Hilfe schreie. Jahrelang schon habe ich gewinselt und gejammert. Was hat das Leben schon für einen Sinn! Von Jesus habe ich natürlich auch gehört: Ich höre Menschen sagen, er könne Kranke gesund machen und böse Geister vertreiben. Einige sagen, er sei aus der Familie des Königs David und werde bald König sein in unserem Land. Er werde als König der Juden besonders für die Armen und Kranken sorgen. So erzählen sie. Manche haben ihn sogar schon gesehen. Ich werde Jesus nie sehen können…

…Was ist da nur für ein Lärm? Ich höre Menschenstimmen, viele Menschenstimmen. Und immer wieder fällt der Name Jesus. Ist Jesus in der Nähe? Wenn ich nur sehen könnte! Dann könnte ich mitlaufen und mit Jesus sprechen. Aber ich falle doch nur hin. Die Stimmen werden lauter. Ich versuche es mit Rufen: „Jesus, du Sohn Davids, bitte habe Mitleid mit mir!“ Nach einiger Zeit höre ich Männerstimmen: „Komm doch her zu Jesus, er ruft dich, du musst keine Angst haben!“ Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Ich springe auf und laufe los. „Was soll ich für dich tun?“, fragt Jesus mich. „Bitte Meister, ich möchte wieder sehen können!“, flehe ich ihn an. „Weil du an mich glaubst, sollst du wieder sehen können“, antwortet Jesus. Ich öffne die Augen. Das helle Licht blendet mich. Da steht er vor mir. „Du kannst gehen“, sagt Jesus. Ja ich gehe wirklich - mit ihm! Ich kann wieder sehen. Ich kann sehen, dass Gott es gut mit mir meint. Das werde ich überall erzählen. Und ich will mehr von dem hören, was Jesus zu erzählen hat. Ist es nicht wunderbar? Ich kann wieder sehen…!

Konnte Jesus eine solche Tat vollbringen?

Heutzutage können auch schwerste Augenkrankheiten geheilt oder gelindert werden können. Der medizinische Fortschritt ist enorm. Aber wenn es wirklich möglich wäre, vollständige Blindheit zu heilen, dann gäbe es bei uns keine Blinden mehr. Sollte Jesus wirklich zu so etwas außergewöhnlichem fähig gewesen sein?


Dazu gibt es Grundsätzliches zu sagen:1. Unsere Wahrnehmung von Krankheit und die der Zeitgenossen Jesu vor fast 2000 Jahren war unterschiedlich. Denn die Gesellschaft definierte und definiert auch heute noch, was Krankheit ist. Krankheiten von heute waren zur Zeit Jesu keine und umgekehrt: Was damals als Blindheit wahrgenommen wurde, wird heute möglicherweise als grauer Star bezeichnet oder als Bindehautentzündung und mit entsprechender Operation oder Medikamenten geheilt. Was damals als aussätzig galt, ist heute vielleicht nur eine möglicherweise auch ansteckende Hautkrankheit und wird durch entsprechende medikamentöse Behandlung geheilt. Was damals als „vom Teufel besessen“ wahrgenommen wurde, ist heute als neurologische oder psychische Erkrankung bekannt, und durch entsprechende Behandlung therapier- oder linderbar. Dieses Nachdenken macht deutlich, dass wir die Krankheiten, die Jesus geheilt hat, nicht unbedingt den heute bekannten Krankheitsbildern gleich setzen können.
Damit will ich nicht die außergewöhnlichen Fähigkeiten Jesu bestreiten aber doch aufmerksam dafür machen, dass über 1900 Jahre zwischen der jeweiligen Interpretation von Krankheit liegen. Dazu kommt, dass Jesu Wundertaten sicherlich nicht nur einen rein körperlichen, sondern auch einen seelischen Aspekt hatten. Schauen wir auf Bartimäus: In der Begegnung mit Jesus gingen ihm die Augen auf für seinen richtigen Lebensweg. Es sollte ein Weg mit Jesus sein. Oder der geheilte Gelähmte (Mk 2,1-12), den Jesus von Schuld freisprach und dieser in Folge wieder auf eigenen Füßen stehen konnte. Der Mensch ist ein ganzheitliches Wesen und jemanden aufzurichten beginnt nicht unbedingt an den Füßen sondern auch in seiner Seele.

2. Die theologische Wissenschaft ist sich darüber einig, dass der historisch fassbare Jesus mit großer Wahrscheinlichkeit geheilt und Dämonen ausgetrieben hat. Er war ein begabter, ein charismatischer Heiler. Ereignisse, wie sie uns die Evangelisten beschreiben, hat es – mit Abstrichen natürlich – wirklich gegeben. Davon erzählen auch außerchristliche Schriftsteller. Jesus hat mit außergewöhnlicher Gabe Menschen geheilt, die nach dem Verständnis der damaligen Zeit krank, bzw. von bösen Mächten besessen waren: Menschen mit körperlichen und seelischen Krankheiten verschiedenster Art und Schwere. Er hat damit seine Zeitgenossen beeindruckt, verwundert, provoziert. 

Zur Erarbeitung der Heilung des Bartimäus mit Kindern:

  • 1. Machen Sie mit Kindern eine Übung mit verbundenen Augen zum Thema „Blind sein“ und unterhalten Sie sich mit ihnen darüber, was es bedeutet, nicht sehen zu können.
  • 2. Erzählen Sie die Geschichte vom blinden Bartimäus aus der Sicht des Bartimäus.
  • 3. Singen Sie mit ihnen die passende Liedstrophe aus dem Lied Wunder.
  • 4. Unterhalten Sie sich mit ihnen darüber, was es drinnen und draußen zu sehen gibt. Ob und wie man sehen kann, welche Gefühle Menschen haben und erarbeiten Sie mit ihnen, wo und wie Gottes Nähe für jeden Einzelnen sichtbar werden kann.
  • 5. Seien Sie miteinander kreativ: Kopieren Sie den Kinder ein Auge auf eine bunte Pappe, dessen Lied sie hinunterklappen können oder erstellen Sie ein großes Auge in Gemeinschaftsarbeit. Lassen sie die Kinder hinschreiben oder malen, was sie sehen können. 

Feiern Sie mit ihnen das Sehen, indem Sie „Spiele zum Sehen“ machen.

  • Ich sehe was, was du nicht siehst…
  • Wer hat den Schuh des Bartimäus?
    Alle Kinder sitzen im Kreis. Eines zieht seinen Schuh aus, setzt sich in die Mitte und hält sich die Augen zu (oder bekommt sie verbunden). Es ruft 3 x: “Ich armer Bartimäus! Wo ist mein Schuh?“ Währenddessen wird sein Schuh im Kreis herumgereicht. Beim dritten Ausruf verstecken sich alle Kinderhände hinter dem Rücken. Bartimäus muss raten, welches Kind den Schuh hat. Hat er Recht, muss dieses Kind in den Kreis.

2. Mk 5,1-22 Die Heilung des Besessenen in Gerasa

„Ich habe einen Stein mitgebracht. Den hat Felix nach mir geworfen und mich am Kopf verletzt. Es hat stark geblutet und ich hatte große Schmerzen. Aber nun will ich von vorne erzählen:

Im Land von Gerasa, am östlichen Ufer des Sees Genezareth, züchte ich, Tiberius, Schweine. Früher besaß ich 2000 Stück. Früher, denn die ganze Herde ist über die Klippen zum Seeufer abgestürzt. Die Tiere sind in Panik geraten. Von dem Schaden habe ich mich noch nicht erholt, aber zumindest ist der Unruhestifter, dem ich das zu verdanken habe, wieder weg. Er, Jesus, kam eines Tages in unsere Gegend und lernte Felix kennen. Wir haben Felix auch den „Untoten“ genannt. Denn er hauste vor dem Dorf in den Höhlen, in denen wir unsere Verstorbenen begraben. Niemand wollte ihm deshalb nahe kommen. „Er ist verrückt“, haben wir immer gesagt, denn er schrie und tobte auch nachts. Er schmiss mit Steinen nach uns und schlug sogar sich selber mit Steinen! Er spuckte nach uns und beschimpfte uns. Er war vom Bösen besessen. Ein schrecklicher Mensch! Eines Tages also kam Jesus und sah Felix mit seinen Hand- und Fußfesseln, die wir ihm angelegt und die er wieder zerrissen hatte. Ich war in der Nähe mit meinen Schweinen und hörte Jesus reden: „Alles, was Felix quält und krank macht, alles Böse soll von ihm weichen! Alles, was ihn verzweifeln und schreien lässt, soll von ihm weggehen!“, rief er. „Hau, ab Jesus, Sohn Gottes!“, schrie Felix, „lass mich in Frieden“! Er wusste genau, wer Jesus war, das hat mich sehr erstaunt. Als Jesus ihn nach seinem Namen fragte, habe ich mich wieder gewundert. Er sagte nicht „ich heiße Felix“ sondern „ich heiße Legion“ und das bedeutet doch „Tausende“. Ein seltsamer Name! Meinte Felix, dass Tausende von verschiedenen Krankheiten und bösen Mächten in ihm wohnten? Ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken, denn plötzlich wurden meine Schweine unruhig. Sie begannen zu quieken. Und plötzlich rannten sie auf das Seeufer zu und stürzten sich wie verrückt geworden den steilen Abhang hinunter. Ich traute meinen Augen nicht! Ich bin sofort ins Dorf gerannt um den anderen davon zu erzählen. Alle Dorfbewohner kamen sofort zum Seeufer und sahen sich die Bescherung an. Und Felix? Felix saß ganz ruhig da und redete normal mit Jesus. Er war wieder gesund. Waren seine Krankheit und das Böse, dass ihn umhergetrieben hat etwa in meine Schweine gefahren? Ich war außer mir vor Zorn.
Wir haben Jesus befohlen, unser Land zu verlassen. Felix wollte natürlich mit ihm gehen, aber das hat Jesus nicht erlaubt: „Geh zurück zu deiner Familie und erzähle allen, was dir passiert ist!“, so hat er zu ihm gesagt. Jetzt sind alle weg: Felix, Jesus – und meine Schweine. Nichts als Ärger hat man!“

Worum geht es in dieser Geschichte?
Aus Märchen kennen wird das Motiv des betrogenen Teufels. Hier müssen die armen Schweine herhalten. Ob das mit den Schweinen wirklich so passiert ist, können wir heute nicht mit Bestimmtheit sagen. Manche Theologen sprechen von einer mit besonderen Sorgfalt gestalteten theologischen Dichtung. Es gilt aber als sicher, dass Jesus sich erfolgreich als Exorzist betätigt hat. Dämonenaustreibungen waren von großer Bedeutung für sein Selbstverständnis. Er heilte nicht aufgrund mächtiger Beschwörungsformeln und magischer Rituale, wie „normale“ Zauberer das so tun, sondern primär durch seine Persönlichkeit. Die Heilungen gaben ihm oder bestätigten ihm das Bewusstsein, an der Schwelle einer neuen Welt zu stehen, in der das Böse mit seiner Hilfe endgültig besiegt würde.

Was ist in Ihren Augen eigentlich böse?

Jede Kultur, jede Gesellschaft definiert für sich, was gut und was böse ist. Damit ist „das Böse“ kein absoluter Begriff, genau wie „das Gute“. Und wir müssen auch zwischen „Böse sein“ und „Böses tun“ unterscheiden. Aber unabhängig von allen Überlegungen (die noch mal ein eigenes Thema sind) ist allen Kulturen gemeinsam, dass böses Verhalten, egal aus welchen Gründen, den Menschen daran hindert, ein Leben in Gemeinschaft zu führen: in menschlicher Gemeinschaft und in Gemeinschaft zu Gott. 

Zur Erarbeitung der Geschichte:

Stein zeigen, hochheben lassen. Mit einem solchen Stein hat Felix geworfen und auch sich selber verletzt. Steine sind hart, Steine können verletzten. Steine sind Zeichen für harte Herzen. Steine sind Zeichen für das Böse im Menschen
Wenn Sie sich mit Kindern über diese Heilungsgeschichte unterhaltet, kann ein großer Stein als Impuls in der Mitte liegen. Jedes Kind darf ihn hochheben und auch herumtragen. Er wiegt schwer. So schwer wiegt böses Verhalten des Menschen. Und auch die Kinder können wie wir heute darüber nachdenken, was sie als böse, bzw. als gut empfinden. Welche Folgen hat solches Verhalten auf das Miteinander in Familie, Freundeskreis, Kindergarten und Schule? Und wie fühlen sie sich dabei? Wer oder was hilft ihnen, wieder „gut“ zu sein?
Weisen Sie die Kinder darauf hinweisen, dass auch Gott dabei helfen kann und sich im Gebet und im Lied ansprechen lässt. So verstehen die Kinder die Absicht dieser von Markus erzählten Geschichte: Jesus erweist sich als Herr über das, was den Menschen böse sein lässt. Er befreit zu einem Leben in Gemeinschaft mir den Mitmenschen und mit Gott.

Diese Geschichte kann man kreativ gestalten und auch feiern.
Den Felix feiert ein Fest der Befreiung mit
Schweine – Wettwickeln und Schweinespeck-Essen
Diese Schweine können die Kinder vorher in einer kreativen Phase selber gemalt, bzw. eine Kopie ausgemalt haben.

3. Mt 14, 22-33 Jesus wandelt auf dem See und rettet den sinkenden Petrus 

Seid ihr schon einmal nachts mit einem Boot auf einem See oder dem Meer unterwegs gewesen? Davon möchte ich euch heute erzählen. Petrus ist mein Name und mein Beruf: Jünger Jesu. Ein seltsamer Beruf, meint ihr? Da habt ihr Recht. Doch Jesus hat gesagt: Wer mein Freund sein möchte, wer mit mir durch das Land gehen und von Gott erzählen möchte, der muss seinen Beruf aufgeben und seine Familie verlassen. Das habe ich getan und nun bin ich ein Jünger von Jesus.

Einmal waren wir am See Genezareth. Jesus hat dort gepredigt. Am Abend sagte er zu uns Jüngern: „Setzt euch ins Boot und fahrt auf die andere Seite des Sees! Ich will in Ruhe zu meinem Vater beten und komme dann nach.“ Wir sind also losgefahren. Es wurde bald dunkel. Einige von uns legten sich schlafen, andere hielten Nachtwache. Ein starker Wind kam auf und wurde immer stärker. Bald hatten wir Sturm. Die Wellen schlugen ins Boot. Wir hatten entsetzliche Angst, unterzugehen, denn wir waren doch viele hundert Meter vom Ufer entfernt.

Hattet ihr schon mal so richtig Angst? Ich hatte jedenfalls Todesangst! „Ein Gespenst, ein Gespenst!“, schrie plötzlich Andreas und zeigte in das aufgewühlte Wasser. Ein Gespenst? Kein Gespenst! Es war Jesus, er ging zu uns über das Wasser. Gott sei Dank! Er kam, um uns zu helfen! „Habt keine Angst, ich bin es, fürchtet euch nicht!“ rief er uns zu. Ich konnte es nicht glauben! „Wenn du es wirklich bist, Jesus, dann sage mir, dass ich zu dir über das Wasser kommen soll!“ Und Jesus rief mir zu: „Komm“! Also bin ich raus aus dem Boot geklettert. Es ist ein seltsames Gefühl, auf dem Wasser zu gehen, das kann ich euch sagen! „Ich kann gar nicht auf dem Wasser gehen!“, schrie ich und hatte plötzlich wieder schreckliche Angst. Schon begann ich, unterzugehen. Meine Schritte traten durch das Wasser hindurch, schon reichte es mir bis zum Kinn. „Hilfe, Jesus, rette mich!

Und sofort war Jesus bei mir, er griff nach meiner Hand und hielt mich fest. „Warum hast du nicht geglaubt, dass du zu mir über das Wasser gehen kannst?“, fragte er mich. Ich weiß es bis heute nicht. Wir kletterten ins Boot. Der Sturm legte sich. Wir waren gerettet. Ich war gerettet. Das hatte Jesus getan. Er war wirklich Gottes Sohn!

Es gibt viele interessante Theorien über diesen Seewandel. Eine von ihnen, die sogenannte „rationalistische Wunderinterpretation“ sagt, Jesus sei über Bauhölzer gegangen, die gerade dort im Wasser schwammen. Man hat auf verschiedenste Art und Weise versucht, diesen unerklärlichen Vorgang zu erklären. Kein normaler Mensch kann über das Wasser gehen. Dazu brauchen wir nicht Physik studieren. Sollte Jesus wirklich…? Das ist eine von den Geschichten, bei denen viele Menschen sagen: so etwas kann und will ich nicht glauben. Das ist ein Märchen.

Wie also können wir die Geschichte vom seewandelnden Jesus, der den sinkenden Petrus rettete, verstehen?
Sie ist eine Dichtung des Urchristentums, das heißt der Christenheit der ersten Jahrzehnte nach Jesu Tod und Auferstehung. Gewiss hat sich hier dichterische Phantasie mit historischer Erinnerung verknüpft. Denn Jesus ist mit seinen Jüngern über das galiläische Mehr gefahren. Das wusste man. Wie oft hat er mit ihnen im Boot gesessen, hat sich zum anderen Ufer übersetzen lassen und hat von dort aus gepredigt. Galt er erst einmal als großer Wundertäter, so war es nur ein kleiner Schritt, ihm auch göttliche Macht über Wellen und Wind zuzuschreiben. Dieser Schritt, dieses Denken war aber erst nach den Ereignissen von Ostern möglich. Als Menschen glaubten und bekannten: Dieser ist wahrhaftig Gottes Sohn, auferstanden von Toten, aufgefahren in den Himmel. In der Antike galt die Fähigkeit, über Wasser zu gehen, als Zeichen göttlicher Macht. Den Göttern gleich ist der, „der das unmöglich Scheinende möglich machen kann, der, wenn er will, zu Fuß über das Meer schreitet…“ sagt Dion Chrysostomos. Nur ein göttliches Wesen wie der Auferstandene konnte solche übermenschliche Fähigkeiten haben. Unsere Erzählung wurde aufgeschrieben, um die Göttlichkeit Jesu zu verdeutlichen. Sie ist also ein Bekenntnis.
Zum anderen ist die Erzählung ein Lehrstück über den Glauben. An der Person des (sinkenden) Petrus sehen wir, dass einem der Glaube nicht sicher ist, sondern im Alltag gefährdet ist und immer wieder neu eingeübt und gelebt werden muss. Kein Glaubender kann zu keiner Zeit für sich die Möglichkeit ausschließen, in seinem Glauben schwach zu werden. Es gibt Tage, da fühlen wir uns Gott ganz nahe und manchmal erscheint er uns wie Phantasie und Traum. Der Evangelist Matthäus will seinen Lesern verständlich machen: Wer bei seinem Gang über die Wellen des Lebens und des Glaubens Gott vertraut, der muss sich nicht fürchten und übersteht auch schwierige und gefährliche Situationen. Den Glauben zu wagen und daraus Kraft für das Leben zu entwickeln, dazu ermutigt diese Erzählung.

Wie setze ich die Erzählung für die Arbeit mit Kindern um?

Reden Sie mit ihnen über ihre persönlichen Erfahrungen zum Thema Wasser und Sturm. Lassen Sie sie erzählen, vor was oder vom wem sie Angst haben und wer ihnen in ihrer Angst beisteht. Erarbeiten Sie mit ihnen, dass Petrus keine Angst hätte haben müssen, wenn er Jesus vertraut hätte. Ermutigen Sie sie, sich mit ihrer Angst auch Gott anzuvertrauen

Im kreativen Teil ihrer Kindergruppe oder ihres Kindergottesdienstes erstellen Sie ein großes Wellen - Meer. Ein Plakat, auf das viele kleine Wellen geklebt sind, die die Kinder vorher ausgemalt oder ganz selbständig gemalt haben. Kinder, die schreiben können, können Ängste formulieren und in ihrer Welle schreiben. In die Mitte kleben sie eine große Welle z. B. mit dem Satz: Gott rettet mich aus meiner Angst.

Und zum Schluss machen sie Spiele gegen die Angst
Wer hat Angst vor dem Gespenst? Ein Kind (K1) steht auf der einen Seite des Spielfeldes, alle anderen (K2) auf der anderen. K1 ruft: Wer hat Angst vor dem Gespenst? K2: Niemand! K1: Und wenn es kommt? K2: Dann laufen wir! – Die Kinder laufen los und versuchen, auf die Seite von K1 zu gelangen. Dieses versucht, ein Kind zu fangen, das dann das Gespenst ist.
In den weiteren Runden wird „Gespenst“ durch Begriffe der Kinder ersetzt, z.B.: Wer hat Angst vor der dunklen Nacht, vor dem Gewitter, vor der schlechten Note, dem Familienstreit o.ä.


Es gibt noch viele neutestamentliche Wundererzählungen mehr: Krankenheilungen, Dämonenaustreibungen, Normenwunder, Rettungswunder, Geschenkwunder und Erscheinungswunder. Wir unterscheiden zwischen denen, die auf den historischen Jesus zurückzuführen sind und denen, die den Osterglauben an den auferstandenen Christus zur Vorraussetzung haben.
Diese Wunder sind eine Herausforderung für unseren Glauben, aber eine, die zu bewältigen ist. Wenn wir sie hinterfragen, wenn wir versuchen zu verstehen, wie sie wirklich gemeint sind. Dieses Verstehen ist die Grundlage auf derer wir dann im nächsten Schritt die Umsetzung mit Kindern erarbeiten. Nur was ich für mich selber klar habe, kann ich auch an Kinder weitergeben.
Wunder gehören nicht nur in die Bibel, nicht nur in die vergangenen Tage, sondern auch in die Gegenwart. Auch wenn wir unseren Alltag entzaubert haben, und uns über gar nichts mehr wundern können, geschehen sie. Sie machen uns deutlich, dass es eine Wirklichkeit geben muss, die diese Wunder ermöglicht. Das Wunderbare an ihnen ist nicht nur, dass sie geschehen, sondern dass sie mir geschehen. Und dass Gott in ihnen etwas mit mir zu tun haben. „Es ist ein Wunder, wie du es schaffst, wenn ich es brauche, gibst du mir Kraft. Wunder geschehen, in meinem Leben. Gib mir Vertrauen, dass du mich liebst.“

Antje Maurer, Rheinbach, den 27. Mai 2006

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